Am Montag, dem 28. März 2022, durfte Kreszentia Flauger, unsere Ratsfrau aus Wildeshausen, als Gastrednerin bei der Friedenskundgebung in Ganderkesee sprechen. Alle Ganderkeseer Ratsfraktionen und der Bürgermeister waren mit Redebeiträgen dabei.
Liebe Ganderkeseerinnen, liebe Ganderkeseer,
mein Name ist Kreszentia Flauger, ich bin für die Linke im Stadtrat Wildeshausen und ich freue mich, heute hier sprechen zu dürfen.
Ich bin 1966 geboren. Als Jugendliche habe ich die vielleicht gefährlichste Zeit des kalten Kriegs erlebt: Als ich 17, 18, 19 Jahre alt war, wurden in Deutschland Pershing-II-Mittelstreckenraketen stationiert. Wir lernten in der Schule, wie wir uns bei einem ABC-Alarm verhalten sollten und wir hatten begründete Angst vor einem Atomkrieg.
Ab 1989 änderten sich die Zeiten und der kalte Krieg ging zu Ende. Wir empfanden das als einen Segen. Die Anspannung, die Angst ließen nach. Und irgendwie dachten wir wohl, diese positive Entwicklung sei eine Einbahnstraße. Wir hielten dieses unerträgliche Feindbilderpflegen, das Wettrüsten zwischen Ost und West, die Drohszenarien für überwunden und für Vergangenheit.
Wir haben uns wohl geirrt.
Frieden, den wir uns alle wünschen, ist nie einfach da und er ist nie sicher, nie eine Selbstverständlichkeit. Frieden erfordert ständige Arbeit daran, ständiges Miteinander reden und ständiges Bemühen um Verständigung und Ausgleich.
Jetzt hat Wladimir Putin die Ukraine angegriffen, was durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen ist. Es ist Krieg, in unserer Nähe. Und als Olaf Scholz im Bundestag ankündigte, 100 Milliarden € zusätzlich für das Militär bereitzustellen, gab es in den meisten Fraktionen begeisterte Zustimmung. Mich erfüllt beides mit tiefer Sorge: Dass Putin einen Krieg begonnen hat – wogegen ich noch kurz zuvor gewettet hätte, denn wie viele andere dachte ich, dazu sei er bei aller Kritik an ihm doch zu vernünftig.
Und dass im Bundestag Jubel ausbricht, wenn der Militäretat massiv erhöht wird und Aufrüstung – nicht nur in Deutschland – wieder Programm zu werden droht, mit allen Folgen solcher Logik.
Willy Brandt hat einmal gesagt:
„Alle die Macht haben, Krieg zu führen, möchten der Vernunft mächtig sein und Frieden halten.“
Lasst uns hoffen und lasst uns uns dafür einsetzen, dass Vernunft wieder einkehrt und damit auch Frieden zurückkehrt. Dafür stehen wir heute hier.
Auch in Russland demonstrieren Menschen trotz der Gefahren und Gregor Gysi hat sich vor ein paar Tagen mit einer Videobotschaft auf russisch an sie gewendet, mit der inständigen Bitte, sich dem Krieg entgegenzustellen.
Wladimir Putin schickt Menschen als Soldaten in den Krieg, Selenskij tut im Gegenzug natürlich das gleiche. Häuser werden zerbombt, Menschen sterben oder fliehen vor dem Krieg. Und es ist auch immer noch möglich, dass weitere Staaten militärisch in den Krieg eingreifen. Eine Eskalationsspirale ist nicht völlig undenkbar.
Ich möchte zum Schluss eine Passage aus dem Lied „No man’s land“ von Eric Bogle übersetzt wiedergeben, der sich auf einem Militärfriedhof in Nordfrankreich Gedanken machte über einen jungen Mann, der mit 19 Jahren im ersten Weltkrieg umkam:
Ich kann mir nicht helfen, ich muss mich fragen, Willy McBride,
ob alle, die hier liegen, wissen, warum sie gestorben sind.
Hast Du ihnen wirklich geglaubt, als sie Dir den Grund nannten?
Hast Du wirklich geglaubt, dass dieser Krieg Kriege beenden würde?
Nun, das Leiden, der Kummer, der Ruhm, der Schmerz,
das Töten, das Sterben, das war alles vergebens.
Denn, Willy McBride, es ist alles wieder passiert,
und wieder und wieder und wieder und wieder.
Lasst uns weiter alles dafür tun, dass es nicht mehr, sondern weniger Krieg gibt auf der Welt, dass es nicht „wieder und wieder und wieder“ Krieg gibt, dass es jetzt in der Ukraine keine Spirale der Eskalation gibt und dass der Krieg dort so bald wie möglich endet.