Wir haben eine anonyme Nachricht erhalten, auf die wir natürlich nicht direkt antworten können. Doch da der Inhalt so klingt, als wäre eine Antwort unsererseits gewünscht, möchten wir auch auf die Mail eingehen.
„Da es mir unangenehm ist und ich mich schäme, bitte ich Sie zunächst einmal um Verständnis und Nachsicht, dass ich anonym bleiben möchte. Nur so viel, ich bin Ü50 gehandicapt und ALG 2-Bezieher und bin wohnhaft im Landkreis Oldenburg.“
Antwort: Anonymität und Datenschutz sind sehr wichtig. Erst mal danke für Ihre Kontaktaufnahme! Wir hören von mehreren ALG-2-Emppfänger*innen, selbst oder Angehörige mit Behinderung, wie schwer es ihnen in dieser Gesellschaft gemacht wird. Übrigens ist „Handicap“ schon die Wortwahl derer, die Sie kritisieren, als wäre man beim Golfspielen. Auch da können Sie schon viel erreichen, indem Sie die Deutungshoheit über sich selbst zurückgewinnen!
„Bezug nehmend auf die Bundestagswahl am 26. September möchte ich mich an Sie wenden, da ich mit dem Gedanken spiele, mich dieser Wahl zum ersten Mal – seitdem ich wahlberechtigt bin – zu verweigern, da ich mich von niemanden mehr vertreten fühle und mittlerweile das Grundvertrauen in unsere sogenannten „Volksvertreter“ auf Bundes-, Landes- als auch Kommunaler Ebene verloren habe, da ich als Gehandicapter und ALG 2-Bezieher für diese nicht zu existieren und keine Rolle zu spielen scheine, was sich seit Beginn der Pandemie sehr deutlich zeigt, wobei ich beim Thema wäre.“
Antwort: Wählen gehen muss man, wenn man eine Chance haben will, dass sich an den Verhältnissen was ändert. Dass gerade die Ärmeren nicht wählen gehen und sich oft aus der Demokratie verabschieden, spielt den Falschen in die Karten. Die Stimme für eine Partei wie DIE LINKE schließt ein weiteres außerparlamentarisches Engagement nicht aus, im Gegenteil, es braucht beides. Ein jeder und jede nach den eigenen Möglichkeiten.
„Wie Ihnen bekannt, aktuell die Politik darüber nachdenkt und diskutiert, den Druck auf nicht geimpfte zu erhöhen und diese gänzlich vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen, wenn diese nicht spuren und sich deren Willen beugen (unterwerfen) und impfen lassen.“
Antwort: Es gibt immer die Freiheit des Einzelnen abzuwägen gegenüber der Freiheit aller. Und mal unabhängig vom Gesetz: Was wäre solidarisch die beste Entscheidung? Doch es ist sicherlich eine Entscheidung, die nie einfach ist. Wie da mit Corona Missmanagement betrieben wurde, oft auch nur Corona als Vorlage missbraucht wurde, um Geld noch mehr von unten nach oben zu verteilen, oder die Eingriffe in die freiheitlichen Rechte allgemein … wir LINKEN sind da nicht nur ein mal auf die Barrikaden gegangen.
„Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen ich weder der Gruppe der Verschwörer noch der der Impfgegner angehöre, aber das politische Geschehen rund um Corona gerade als Gehandicapter und ALG 2-Bezieher von Beginn der Pandemie an kritisch und mit großer Sorge verfolge, da ich als zuvor genannter in der Politik nicht vorzukommen scheine und gänzlich vergessen wurde.“
Antwort: Sie werden nicht vergessen. Im Gegenteil! Leider sind Sie sogar eine relevante Größe, der stigmatisierte Hartz-IV-Empfänger als Abschreckung für die Arbeitnehmer*innen, doch auch mit niedrigen Löhnen zufrieden zu sein … halt „besser als Hartz IV“. Die Seite der Arbeitnehmer*innen wird gegeneinander ausgespielt. Sie werden bewusst ignoriert, das ist was anderes und umso schlimmer.
„Nun zu meinem Anliegen und weshalb ich mich (anonym) an Sie wende:
Wie erwähnt bin ich ALG 2-Bezieher. Ich würde mich gerne impfen lassen, sehe mich jedoch dazu außerstande, da ich nicht krankenversichert bin und mir eine freiwillige Mitgliedschaft aufgrund des viel zu niedrigen Regelsatzes in der Krankenkasse nicht leisten kann. Aus diesem Grund hätte ich sehr gerne die Impftermine des Landkreises Oldenburg wahrgenommen, als dieser mobile Teams losgeschickt hatte. Das Problem hierbei war nur, dass ich es nicht wusste, da diese Termine ausschließlich über die Tagespresse bekannt gegeben worden sind und dadurch offensichtlich nur Abonnenten in den Genuss kamen.“
Antwort: In der Regel sind Hartz-IV-Bezieher*innen auch gesetzlich krankenversichert. Bitte sprechen Sie Organisationen wie ALSO an, die können Ihnen da weiterhelfen. Auch kann man sich als gesetzlich Versicherter in der Regel bei Hausärzten, Impfzentren etc. impfen lassen. Wenn Sie Aufstocker sind, ist Ihr Unternehmen für die Versicherung verantwortlich. Im Falle von Sanktionsmaßnahmen müssen Sie gegenangehen. Ein Problem kann es auch sein, dass Sie vorher als Selbstständiger privatversichert waren. Aber dazu können wir an dieser Stelle nichts Näheres sagen, auch dürfen wir hier nicht beratend tätig werden.
„Jetzt zu meiner Frage an Sie:
Da ich nicht bereit bin, ständig für die kurzsichtige, dilettantische und teils kriminelle Verhaltens- und Vorgehensweise vonseiten der Politik die Verantwortung zu tragen und für diese in die Haftung genommen zu werden, ich sehr gerne von Ihnen gewusst hätte, was ich machen soll und wie Sie sich diesbezüglich positionieren und vor allem, was Sie mit Blick auf uns Randgruppen und Vergessenen gedenken zu unternehmen? Vielen Dank!“
Antwort: DIE LINKE steht seit jeher an der Seite der Menschen, nicht an der Seite des Kapitals. Wir haben auch wiederholt schon klagen gegen Minister und Regierung angestrebt. Außerdem fordern wir eine Grundsicherung von 1.200 € und dass niemand durch die Maschen fällt. Entsprechend ist auch unsere Mindestlohnforderung höher mit 13 € pro Stunde. Überdies ist unser Programm als einziges Programm komplett durchgerechnet mit entsprechend hohen Einnahmen, die für Soziales, Teilhabe, Wirtschaftstransformation und Umweltschutz bereitstünden, siehe hier (andere Kalkulation gehen sogar von bis zu 90 Milliarden Mehreinnahmen aus):
ZEW Kurzexpertise zur Bundestagswahl 2021